Lieber Watersound,
das klingt alles sehr frustriert und enttäuscht... und gefühlt endgültig. Und ich kann sehr gut nachvollziehen, dass das, was Du mit Deiner Frau zuletzt erlebt hast, sehr verletzend ist.
Mir kommen ein paar Gedanken. Vielleicht ist es völlig verkehrt, dann vergiss es, vielleicht ist was dran, umso besser.
Ich würde Dir raten, einen kleinen Schritt zurück zu machen. Verletzung und Liebe sind sehr starke Gefühle, die die ganze Aufmerksamkeit beanspruchen können. Das ist schön - aber auch gefährlich. Denn für den Menschen sind Beziehungen und Gefühle sehr wichtig, aber Gefühle sind nicht alles. Da gibt es noch die äußeren Umstände, die Vernunft und vieles mehr.
Vielleicht ist die Bestürzung, die Du jetzt empfindest, gar nicht so sehr der Angst um die Endgültigkeit der Gefühle Deiner Frau. Vielleicht ist es mehr das Erschrecken darüber, dass Du als Mann nicht in jeder Hinsicht der bist, als der Du Dich gerne fühlst. Du bist ein toller Papa, ein treu sorgender Ehemann, verantwortungsbewusst, familienorientiert, zielstrebig, gefühlvoll, erfolgreich. Aber Du bist nicht perfekt. Das wärst Du gerne - wie ich auch. Wie jeder von uns, manche noch ein bisschen mehr, manche etwas weniger. Dieses Gefühl, perfekt zu sein, ist kaputt - vielleicht unrettbar (und das wäre auch gar nicht so schlecht...). Kaputt ist vielleicht auch die Liebe Deiner Frau. Aber vielleicht weniger unrettbar. Sicher ist die Emotionalität im Moment im Keller.
Jetzt gibt es verschiedene Situationen, wie es weitergehen kann. Ihr findet einen gemeinsamen Weg und werdet glücklicher denn je. Oder es kommt zur Trennung. Beides möglich. Du willst die Trennung nicht, und das ist auch gut so. Kinder leiden auch unter einer freundschaftlichen Trennung. Aber Du auch. Und es geht auch um Dich. Nicht nur um die Kinder. Wenn man einen bestimmten Ausgang nicht will, ist es das Beste, sich zumindest mal probeweise mit dieser Möglichkeit vertraut zu machen. Das Leben würde weiter gehen - auch wenn sich das unglaublich anfühlen würde, wenn Du Dich als Ehemann gescheitert fühlen würdest. Mach Dich trotzdem mit diesem Gedanken vertraut, dass das Leben weiter ginge. Vielleicht entsteht so etwas mehr Gelassenheit, die Dir hilft, den kühlen Kopf wieder zu finden, den Du jetzt brauchst.
Etwas mehr Gelassenheit würde Dir helfen, aber auch Deiner Frau. Denn sonst bürdest Du Deiner Frau die Verantwortung auf, Dein zerbrochenes Selbstbild zu stabilisieren. Das wird sie überfordern. Da gäbe es für sie nur die Möglichkeit, sich aus dem Kampf zurückzuziehen, denn alles Andere wäre aussichtslos. Also bürde ihr diese Last nicht aus. Halte aus, dass Du gut bist, wenn auch nicht ganz so gut, wie Du Dich gefühlt hast.
Also trauere nicht um die verlorene Liebe Deiner Frau. Trauere um das zerbrochene Selbstbild des pefekten Ehemanns. Du warst als Ehemann gut genug. Nicht perfekt. Aber eben gut genug. Sei zufrieden mit Dir. Wenn Du es nicht aus Dir heraus bist, wird Dich Deine Frau auch nicht zufrieden machen können.
Ich könnte mir vorstellen, dass Deine Frau auch den Druck fühlt, zufrieden zu sein, weil sie ja mit Dir das Traumlos hat. Drei süße Kinder, Haus, finanziellen Spielraum, gute Schwiegereltern. Aber Zufriedenheit stellt sich nicht auf Druck ein. Gib ihr das Recht, unzufrieden zu sein. Das Gefühl, im goldenen Käfig festzustecken, ist nicht gut für die Liebe. Gib ihr Zeit. Gib Dir Zeit. Und das gibst Du Euch beiden, wenn Du jeden möglichen Ausgang für Dich akzeptierst. Das nimmt Druck aus der Kiste. Sie muss nicht gleich wieder Gefühle für Dich empfinden. Auch das Funktionieren kann eine Weile ganz gut sein.
Versuch jetzt auch nicht, sie und ihre Liebe durch besondere Aktionen (romantisches Wochenende und was man sonst so liest), zu gewinnen. Das erhöht nur den Druck auf sie. Zeig Dich ihr als Mensch. Nicht perfekt, mit Schwächen. Aber ganz ok. Vielleicht kommt ja die Liebe dann zurück. Unerwartet. Gib ihr und Dir Zeit. Dränge nicht auf Ehetherapie oder sowas. Gerne dafür offen sein, aber ohne den Druck, das als Reparaturstation für die Ehe zu betrachten. Eine Frau möchte nicht einfach nur emotional funktionieren und bei Bedarf repariert werden - ein Mann auch nicht. Im Alltag funktionieren ist wichtig, schon wegen der Kinder, aber nicht emotional funktionieren. Liebe hält den Verlust der Liebe(sgefühle) für eine gewisse Zeit aus.
Ich wünsche Dir viel Glück!