Hallo zusammen,
erstmal vielen Dank fürs Lesen meines Problemes, ich hoffe wirklich, dass ihr mir helfen könnt.
Zu meinem Partner und mir: ich (27w) er (30m), ich bin knapp 1,70m groß, er ist 2,04m groß und doppelt so schwer wie ich. Er studiert Psychologie, hat sich aber laut eigenen Angaben aus der ganzen "Selbst-Therapie" im Studium raus gezogen und ist jetzt seit ein paar Wochen wegen absoluter Antriebslosigkeit und Verdacht auf Depression in Therapie.
Ich studiere noch Design, arbeite aber schon seit ca. einem halben Jahr Vollzeit.
Wir haben uns vor genau einem Jahr über eine Freundin kennen gelernt; haben dann 3 Monate miteinander intensiv telefoniert und geschrieben (er hat zu dem Zeitpunkt in Österreich studiert & gelebt), führten dann eine Fernbeziehung für ein paar Monate (in denen wir uns oft gesehen haben), bis er dann nach Hamburg gezogen ist (wo er ursprünglich herkommt und ich zZ arbeite), damit wir beisammen sein können und er seine Bachelorarbeit schreibt.
Wie in jeder Beziehung hatten wir auf und abs- auch wenn in Streitsituationen sehr oft die Emotionen übergekocht sind. Dazu muss ich sagen, dass ca. 95% der Streite von ihm kamen, weil er sich zu wenig beachtet gefühlt hat. Er ist seeehr anhänglich (aber auch liebevoll) und hatte immer den gleichen Anspruch an mich, dass ich alles stehen und liegen lasse, um bei ihm zu sein, weil das ja "die große Liebe" und "die Liebe des Lebens" ist.
Dazu kommt, dass er ein unfassbar fauler Mensch ist... Er geht nicht arbeiten, hat keine Hobbies, schreibt nicht an seinen Arbeiten, lebt bei seinen Eltern und wird von denen auch finanziert. Ich kann dieses Verhalten nicht verstehen, weil wir eigentlich für nächstes Jahr Reisepläne haben, bei denen er eigentlich dabei sein wollte, dafür aber nichts getan hat!
Dabei wirkte er, als ich ihn kennen gelernt habe, wie ein echt spannenden Mensch. Nette Freunde in Österreich, war auch schon gereist, hat in Japan gelebt und die Sprache ein wenig gelernt, interessiert sich für alternative Medizin und Bewegung und steht total auf Natürlichkeit. In vielerlei Hinsicht mein Traummann.
Auf der anderen Seite hat mich die Beziehung unfassbar glücklich gemacht (bisher die mit Abstand intensivste Beziehung meines Lebens), er feiert mich in so vielen Bereichen und schenkt mir wahnsinnig viel Liebe. Leider wird er pissig, wenn ich nicht genauso viel Liebe zurück gebe- was einfach nicht geht, weil ich eben Hobbies habe, Arbeiten gehe und auch noch andere Sozialkontakte pflege.
Letztes Freitag ist ein Streit heftigst eskaliert. Ich versuche mich kurz zu halten:
Wir haben uns beide unverstanden wegen Geschehnissen am vorigen Abend gefühlt, weswegen erst einmal eisige Stille herrschte. Als er das Gespäch aufnahm, erwartete er eine Entschuldigung von mir- ich konnte es echt nicht fassen. Dazu muss man sagen, dass meine Cousine und ihr Partner keine 6 Stunden später aus London gelandet sind. D.h. mein Freund hatte den Machthebel, dass er eine Entschuldigung von mir wollte, sonst "kann ich mich verpissen". Auch nachdem ich mich Zähneknirschend entschuldigt hatte, nahm er diese nicht an mit den Worten, ich solle mich doch "richtig" entschuldigen.
Das Schreien ging weiter, er kam auf mich zu (ist wie gesagt sehr groß und stark), brüllte rum, packte mich am Oberarm und wollte mich auf den Flur hinaus schieben.
In dem Moment habe ich mich sehr bedroht gefühlt und habe ihm eine Ohrfeige verpasst (Hintergrund: nach einigen Streiten davor, wo ab einem bestimmten Punkt bei ihm eine Sicherung durchbrannte, war er nicht mehr ansprechbar. Danach meinte er immer "wenn ich an diesen Punkt komme, dann hau mir einfach eine, vielleicht brauche ich das, um wieder klar zu kommen!").
Ich drehte mich sofort um (ihm den Rücken zu), um mich hinter den Tisch zu stellen. Er packte mich von hinten und hielt mir sehr feste die Arme zu. Ich wehrte mich und sagte ihm, er soll mich loslassen, was er nicht gemacht hat. Ich versuchte mit dem Ellbogen ihn im Bauch zu treffen; nach wenigen Momenten hob er mich mit einem Griff, den er aus dem Kampfsport kennt, am Hals hoch (mit verschräkten Armen), was mir den Hals zudrückte.
Nach ca. 3 Sekunden ließ er mich fallen (Beine waren in de Luft) mit den Worten "Oh mein Gott, was tue ich hier!".
Ich hab nach Luft geschnappt und bitterlich angefangen zu weinen und zu zittern. Jetzt hatte ich wirklich Angst vor ihm.
Ich verkroch mich hinter den Tisch, er kam auf mich zu, viel sofort zu Boden und entschuldigte sich. Ich hab ihn nur von mir gehalten und bin die Treppe rauf gegangen und habe angefangen zu packen (haben da noch zusammen im Haus seiner Eltern gewohnt, die gerade im Urlaub waren).
Ich weinte und packte, er kam rauf und fing an die Situation zu relativieren. Von wegen ich hab einen guten rechten Haken, sein Griff war ja gar nicht so schlimm; der wird nur zur Beruhigung eines Gegners angewandt; ich hätte angefangen und wäre aggressiv gewesen; ich sei die Liebe seines Lebens; er hatte die letzten Tage nachgedacht mir einen Antrag zu machen... alles sehr, sehr manipulativ.
Ich merkte, dass ich eine sehr seltsame und mir bis dahin unbekannte Zone gekommen bin. Ich wurde ganz ruhig und entschulidigte mich, weil ich "anscheinend das schlimmste aus den Menschen raushole". Ich entschuldigte mich für die Ohrfeige, hörte auf zu Packen und bittete ihn darum, das Wochenende wie geplant zu machen.
Meine Cousine und ihr Freund kamen an und wir hatten ein wunderschönes Wochenende.
Am Abend bevor sie flog, erzählte ich ihr kurz, was passiert war (sie ist Neuro-Psychologin) und sie sagte mir klar und deutlich: du warst keine Bedrohung für ihn. Er hätte das nicht tun sollen. Und sie empfahl mir das Buch "Wölfe im Schafspelz" (mit ihr hatte ich schon häufig über unsere Beziehungsprobleme geredet).
Dann war alles wie vor dem Vorfall. Wir kochten, kuschelten, schauten abends Filme...
Dann sind wir abends in eine Therme gegangen und ein kleines Wort von mir machte ihn zum kalten Stein.
Danach gab es wieder eine Diskussion, die darin endete, dass wir am Tsich saßen und ich ihm sagte, dass ich am nächsten Morgen ausziehen werde.
Paradoxerweise kuschelten wir an dem Abend noch..
Gestern rief ich meinen Bruder an, (der auch Therapeut ist) nachdem ich in meine neue WG gezogen war und erzählte ihm die ganze Geschichte.
Er sagte ganz klar, dass mein Freund ein Psychopath ist und ich mich 21 Tage von ihm Fernhalten muss, um aus dieser "Sucht" und ungesungen Beziehung rauszukommen. Da ist der Groschen bei mir gefallen, ich rief danach meinen Vater an und erzählte es ihm. Ich fahre morgen in die Heimat zu ihm und meinen Freunden.
Mein großen Dilemma ist gerade: ich habe ein so unfassbar schlechtes Gewissen!! Heute morgen und in der Nacht bin ich so bitterlich am weinen, weil ich das Gefühl habe, ihm Unrecht zu geben...
Er ist der erste Mann, neben dem ich in Ruhe einschlafen konnte (ich kann tatsächlich ohne ihn nicht gut einschlafen), den ich schön fand, dessen Geruch ich liebte, mit dem ich in die Zukunft träumen konnte.. und vielen mehr.
Die Beziehung war oft anstrengend (wegen seiner emotionalen Abhängigkeit mir gegenüber- was er auch offen sagt. Es stört ihn nicht, dass seine gesamte Welt um mich dreht. Er sagt, nach mir kommen erst mal 10 Stufen keine Leute; noch nicht mal seine Brüder), aber eben auch unfassbar schön, intensiv, liebevoll und heilsam (hab ein großes Problem mit meiner Körperlichkeit und er hat mich immer für meinen Körper gefeiert).
Momentan bin ich völlig fertig, meine Freunde und Familie sagen, ich soll ich auf gar keinen Fall weiter sehen, dass er keine Kontrolle über sich hat.
Aber trotzdem hab ich dieses abgefahrene Gefühl, mich bei der ganzen Welt und ihm entschuldigen zu wollen, weil ich unsere Liebe verraten habe, weil ich das alles erzählt habe. Und weil ich jetzt nicht mehr erhobenen Hauptes mit ihm zusammen sein könnte...
Das ist alles so krass. Ich weiß nicht, was ich mit diesen ganzen Emotionen machen soll. Und dieser Angst, nie wieder jemanden zu finden, der seine ganzen wunderbaren Seiten hat...
Vielen Dank für eure Meinungen und Anregungen im Vorfeld, und danke für's lesen von diesem langen Text