Hallo,
ich (Mann) stecke gerade in der wohl heftigsten Beziehungskrise die ich je hatte und ich dreh mich nur noch im Kreis und bin vollkommen aufgelöst. Es geht um folgendes:
Ich lebe seit ca. 7 Jahren mit meiner Frau zusammen. Seit 4,5 Jahren sind wir verheiratet. Sie hat ein Kind aus erster Ehe mit in unsere Beziehung gebracht (8) und wir haben einen gemeinsamen Sohn (5). Wir leben alle zusammen und haben auch ein gutes Verhältnis zum Vater des ersten Kindes. Nach ca. 3 Jahren Beziehung hat meine Frau mir erstmals die Frage gestellt, wie ich damit umgehen würde, wenn sie mal was mit einer Frau hat. Ich konnte mich mit dem Gedanken nicht anfreunden und sagte ihr, dass sie mich damit hintergehen würde. Sie hat das Thema dann zurückgestellt aber alle 3-5 Monate kam es wieder in ihr hoch. Ich habe gemerkt, dass es sie stark beschäftigt und sie auch in gewisser Weise unglücklich macht. Ich habe mich dann auch mehr damit beschäftigt und mich am Ende dazu entschlossen über meinen Schatten zu springen und ihr gesagt, dass ich mich damit anfreunden werde. Ich bin nun mal keine Frau und werde ihr nie das geben können was sie vermisst. Unter der Voraussetzung, dass wir immer offen und ehrlich sind und dass unsere Liebe und unser Liebesleben nie durch irgendetwas in Frage gestellt oder gefährdet wird hat sie das angenommen und angefangen sich mit Frauen zu treffen. Das war vor ca. 1,5 jahren Mal war es jemand aus ihrem Bekanntenkreis, mal ein Tinder Date. Nach einer kurzen Weile kam sie auf mich zu und hat mir gesagt, dass sie es ungerecht finde und dass ich diese Freiheit auch haben solle. Ich stehe allerdings null auf Männer und eigentlich hatte ich auch keine Lust darauf die Beziehung zu öffnen, bin das Experiment aber mit eingegangen. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht weiß, ob das für mich funktioniert und dass es sein kann, dass ich die offene Beziehung als Experiment sehe und wir vielleicht irgendwann wieder damit aufhören müssen. Das war für sie ok. Ich habe also auch angefangen mich mit Frauen zu treffen. Die Beziehung war fortan offen. Das alles hat ganz gut funktioniert auch wenn ich für mich noch nicht 100% davon überzeugt war. Aber wir haben immer offen und ehrlich gesprochen und es hat uns tatsächlich noch enger zusammengeschweißt, als wir es ohnehin schon waren. Auch unser eigenes Liebesleben bekam kurzzeitig nochmal einen Kick und es war insgesamt sehr schön, das alles mit meiner Frau zu teilen und ich war vor allem glücklich meiner Frau das alles zu ermöglichen weil ich gesehen habe, wie sie sich entfalten konnte.
Wir hatten natürlich auch Regeln abgemacht: Familie/Beziehung geht immer vor, nichts ohne Absprache, die Kinder werden rausgehalten, keine Freunde, keine Arbeitskollegen, nichts festes, nicht zuhause, etc...
Nach einem halben Jahr wurden die Regeln aufgeweicht. Initial kam das von ihr. Ich habe viel Verständnis dafür und manches auch ähnlich gesehn und so haben wir ausgemacht, dass auch Mehrfachtreffen mit ein und der selebn Person möglich sein sollten. Auch Gefühle jenseits der körperlichen sind dadurch möglich geworden. Ich verstehe, dass man Körperlichkeiten irgendwann nicht mehr von anderen Gefühlen trennen kann und das ist ja auch was schönes weil sich dadurch auch mehr entwickeln kann. Auch das Thema Arbeitskollegen und Treffen bei uns zuhause (wenn der Partner nicht da ist) wollte sie aufheben und es war für mich ok, sofern die Kinder rausgehalten werden und natürlich überhaupt, dass unsere Beziehung/Liebe nicht gefährdet wird.
Unser eigenes Sexleben ist zwar mit der Zeit weniger aber nicht weniger intensiv geworden. Und es hat sich immernoch toll angefühlt. Und egal mit wem ich mich getroffen habe, meine Frau war und ist für mich immernoch die Person, die ich am meisten begehre. Sie hat mir auch immer das Gefühl gegeben, dass sie mich sehr begehrt.
Das ist alles noch nicht lange her. Vor 2/3 Monaten kamen wir aus dem Urlaub. Direkt danach sagte sie, sie möchte kurz eine kleine Auszeit und unser Zusammenleben eher als Art WG führen in der man weniger Verpflichtungen gegenüber dem anderen hat und mehr Freiraum für die eingenen Bedürfnisse. Auch schlafen wollte sie vorerst nicht mehr mit mir. Sie sagte dann sie sei lesbisch aber dass ich weiterhin der einzige Mann in ihrem Leben sei und dass sie für immer mit mir zusammen sein möchte.
Kurz darauf lernte sie auf einer Feier eine Frau kenne und traf sich seitdem öfter mit ihr. Sie fing an mir vorzuenthalten, wann sie sich trafen und nannte mir stattdessen irgendwelche anderen Sachen wie "mit den kolegen auf ein Feierabendbier" oder ähnliches. Nachdem ich dann von einem kurzen Wochendurlaub zurück nach Hause kam erzählten mir meine Kinder davon, dass sie einen Tag mit ihr und ihrer neuen Bekanntschaft verbracht haben. Meine Frau hatte mir davon nichts erzählt. Ich habe sie darauf angesprochen und gesagt, dass ich das nicht gut finde. Sie hat sich dafür entschuldigt und es war auch wieder ok. Sie hat sich aber weiterhin intensiv mit ihrer neuen Bekanntschaft getroffen und ich würde sie mittlerweile als ihre "Freundin" bezeichnen.
Eine Woche später, als ich gerade dabei war, mir ein Date auf Tinder zu suchen, sprach sie mich an, dass mein Beschriebungstext ja ohnehin falsch sei. Darin nannte ich, dass ich in einer glücklichen offenen Beziehung bin. Ich fragte, was daran falsch sein solle und sie meinte, dass wir ja gar nicht richtig in einer offenen Beziehung wären und dass ich das aus meiner Beschreibung rausnehmen solle und mir ruhig etwas festeres/ernsteres suchen könne, sie sei ja ohnehin lesbisch. Wir würden ja nur zusammen leben (weil wir uns lieben) und mehr nicht. Kein Sex mehr, keine Intimität. Sie ist jetzt 100% lesbisch und das werde sich nicht mehr ändern.
Für mich ist daraufhin meine Welt zusammengebrochen. Und auf die Frage, wie sie sich das vorstelle sagte sie, dass sie mich weiterhin liebt und dass sie mit mir zusammenbleiben möchte. Nur halt ohne Körperlichkeiten. Vielleicht weiterhin im gleichen Bett oder sie würde sich ein Bett in ein anderes Zimmer stellen.
(Kurze Info: wir haben vor zwei Jahren ein Haus gekauft und sind vor 10 Monaten eingezogen. Alles neu, alles zusammen. Für uns, die Kinder und unsere gemeinsame Zukunft.)
Ich kann mit dieser Situation nicht umgehen. Ich weiß auch nicht ob und wie das funktionieren soll. Aktuell bin ich tief enttäuscht, traurig und verletzt. Sie versteht nicht, dass die Sexualität die wir gemeinsam hatten für mich so viel bedeutet. Dazu muss man wissen, dass unsere ganze Beziehung zu mindestens 50% auf unserem Sexleben aufgebaut hat. Es war ein unfassbar wichtiger Faktor in unserer gesamten Beziehung. Für mich hängt ausser dem körperlichen Erlebnis noch viel mehr damit zusammen. Dadurch entsteht für mich eine noch tiefere Bindung, eine Vertrautheit und eine Sicherheit die auf platonischer Ebene gar nicht möglcih ist. Eine Gemeinsamkeit die nicht mit Worten zu beschreiben ist und die uns auf einer ganz tiefen Ebene verbindte, die jenseits der rationelan Welt stattfindet und alle Gefühle auf eine einzigartige Weise verstärkt und einzigartig macht.
Ich habe ihr das alles gesagt und habe immernoch das Gefühl, dass sie es nicht versteht. Nicht wirklich. Obwohl sie jetzt scheinbar genau das mit ihrer Freundin hat.
Ich verstehe vollkommen, dass sie sich zu Frauen hingezogen fühlt und dass sie dort etwas bekommt, was ich ihr niemals bieten könnte. Körperlich und Zwischenmenschlich. Das ist mir klar. Aber wir hatten das alles auch. Auf andere aber auch auf eine sehr schöne Art. Das hat sie mir zumindest immer vermittelt und gezeigt. Das war alles echt, da bin ich mir sicher. Und jetzt auf einmal in einem Zeitraum von wenigen Wochen ist das alles auf einmal nicht mehr da? Alles so weit weg, dass sie unter keinen Umständen noch mit mir intim sein kann? Und trotzdem will sie weiter ihr Leben mit mir teilen. Ich verstehe das alles nicht und es tut unfassbar weh die Person für die man die größten Gefühle hat und die größte Sehnsucht jeden Tag sehenzu müssen. Und die Vorstellung daran, dass unsere Zukunft so aussieht, dass wir gemeinsam wie beste Freunde zusammenleben und sie daneben ihre Liebesbeziehung mit ihrer Freundin hat schmerzt so sehr, dass ich es kaum aushalte zuhause zu sein.
Wir versuchen uns gerade Hilfe zu suchen und haben Beratungsgespräche vereinbart aber vieleicht gibt es ja hier auch jemanden, der oder die in einer ähnlichen Situation sind und das alles hinbekommen haben? Ich kann's mir einfach nicht vorstellen. Sie hat schlagartig einen so großen und wichtigen Teil unserer Liebesbeziehung ausgeschlossen. Ich bin echt verzweifelt und habe Angst, dass ich meine Frau und Familie verliere.
Wie gesagt würde ich mich freuen, wenn mir jemand aus eigenen Erfahrungen helfen kann damit besser klar zu kommen.
Lieben Dank, sorry für den Roman und viele Grüße.
PS. ich glaube auch, dass zur Entwicklung meiner Frau beigetragen hat, dass sie parallel in der ganzen Zeit erstmals richtig in einem Job angekommen ist der sie erfüllt, sich stark mit dem Thema Feminismus beschäftigt hat und auch innerhalb der LGBT Community Freunde gefunden hat und sich damit identifiziert. Ich habe sie bei allem auch immer unterstützt, weil ich es selbst gut finde und wirklich absolut kein Problem mit Feminismus und LGBT habe und die Themen sogar für überaus wichtig halte.