Ich bin nun bald zwanzig Jahre alt, bin männlich und habe eher stark ausgeprägten Autismus. Insgesamt bin ich mit meinem Leben ganz zufrieden und glücklich, klar gibt es immer Dinge, die man noch verbessern kann und will, aber das ergibt sich dann mit der Zeit. Auch bin ich mit mir selbst sehr zufrieden, ich mag mich und bin auch sehr selbstbewusst, jedoch leider nicht sehr selbstsicher in Gruppen oder mit Fremden. In Situationen mit einer Einzelperson kann ich recht offen und einigermaßen normal reden, in Gruppensituationen bin ich oft stumm. Zudem habe ich große Probleme in Gesprächssituationen, da ich oft nicht weiß, was die Personen hören wollen, besonders, wenn das Thema für mich erledigt ist und die Person ständig darauf zurückkommt oder wenn ich allgemein ein Thema zum sprechen brauche und mir, wenn mir denn ein Thema einfällt, nur wenige Dinge dazu einfallen, sodass das Gespräch meist ins Stocken gerät, wenn der andere nicht sehr aktiv spricht. Auch kann ich nicht auf andere zugehen bzw. mit Fremden sprechen.
Mimik und Gestik kann ich eigentlich gar nicht verstehen. Bis vor etwa zwei Jahren, habe ich auch nicht verstanden, dass diese überhaupt wichtig sind. Seit dem versuche ich, Blickkontakt zu halten, was mir sehr schwerfällt und wohl oft merkwürdig wirkt, da ich nicht weiß was hierbei angemessen ist, und mir auch sehr unangenehm ist. Ich kann die Mimiken anderer allerdings nicht verstehen, grobe Dinge wie Lächeln kann ich als positiv einordnen, aber die Bedeutung dessen ist mir gänzlich unbekannt, sodass ich nie in der Lage sein werde zu erkennen, ob es ein Pro-Forma-Lächeln oder vielleicht doch ein Lächeln aufgrund von Zuneigung ist. Wenn ich in Gesichter sehe, dann fühlt es sich an, als würde ich eine weiße Wand ansehen, da ich aus beiden keine wesentlichen Informationen ziehen kann. Ähnlich verhält es sich mit meiner Körpersprache und meiner Mimik, sie spiegeln oft nicht wider, was ich empfinde oder wie ich mich fühle. Mein Gesicht ist standardmäßig entspannt, ohne eine wirkliche Miene zu besitzen, bei meiner Körperhaltung ist es ähnlich, jedoch versuche ich, da ich nun weiß, dass dies ein Problem ist, aufrecht zu gehen und dominant zu stehen sowie in Gesprächen meine Mimik zu variieren, was jedoch oft wohl nicht verstanden wird, da ich ja nicht weiß, welche Mimik was bedeutet und mein Fundus hierdurch sehr klein ist. Dennoch grinse, lächele und lache ich relativ häufig, zum Teil durch äußere Umstände, oft jedoch durch meine Gedanken, weil diese lustig waren oder mich sehr glücklich machten, wodurch ich oft schon mit dem größten Grinsen durch die Gegend gelaufen bin, was sicherlich auch befremdlich anmutet.
In guten Wochen kommt es durch diese Umstände vor, dass ich zweimal mit anderen in einer Woche spreche, aber oft spreche ich pro Woche nicht einmal mit anderen, Kassierer ausgeschlossen, da ich hier nur die Phrasen "Guten Tag", "Schönen Tag noch", "Danke" und "Ihnen ebenso" verwende. Auch zieht sich durch mein Leben, dass ich oft ein paarmal mit anderen sprach, weil sie auf mich zugingen und sie dann aber plötzlich damit aufhörten und ich keinen Kontakt mehr zu ihnen hatte. Ich bin also ständig allein und auch einsam, wobei mich ersteres fast nie stört und ich ich letzteres nur hin und wieder empfinde, wenn ich darüber nachdenke oder aber in der Realität oder in Filmen bzw. Serien gute Freunde sehe, wobei mir klar ist, dass letztere Trugbilder erzeugen und die Realität für viele anders aussieht. Meinen Rededrang stille ich meist mit Selbstgesprächen, die auch mal an die zwei Stunden meines Tages füllen können, oft aber bei einer Stunde bleiben. Bei diesen simuliere ich eine weitere Person und lagere somit den gedanklichen Teil als impliziert auf eine andere Person aus und rede nur meinen Teil.
Obwohl ich so recht zufrieden bin, hätte ich gern einen Freund oder eine Freundin, ob platonisch oder romantisch wäre recht egal, da ich bisexuell bin, jedoch Körperkontakt fast gar nicht zulassen kann. So darf mich meine Mutter beispielsweise bei Umarmungen nicht am Kopf berühren. Allgemein ertrage ich nur Kontakt an der Kleidung oder den Händen, Geschlechtsverkehr wäre also für unabsehbare Zeit für mich gar keine Option in einer Beziehung, per se jedoch nicht unmöglich, gleichwohl ich dazu kein wirkliches Interesse habe. Problematisch ist hierbei jedoch zusätzlich, dass ich Mysophobie habe, neben einer ganzen Reihe weiterer Phobien, die aber eher unerheblich sind, also die Angst vor Keimen, was zwar auch ein Grund für mich ist, nicht berührt zu werden, aber eben nur so lang die Person dreckig ist, wäre sie gewaschen, so wären die direkten Berührungen für mich zwar noch unangenehm, ich müsste mir die Stellen jedoch nicht desinfizieren. Mir ist klar, dass hiermit die meisten Leute Probleme haben.
Weiterhin bin ich auch ein Misanthrop par exellence und hasse ausnahmslos jeden Menschen, mich auch, jedoch ist meine Selbstliebe recht ausgeprägt und kompensiert dies also genauso wie bei anderen Menschen, für die ich Zuneigung empfinde, dennoch begegne ich jedem achtungsvoll und freundlich, außer er provoziert anderes Verhalten, aber dann bin ich meist sachlich. Wütend werde ich nur in den seltensten Fällen, wobei ich versuche stets respektvoll zu sein. In den fast zwanzig Lebensjahren hatte ich nur eine Person, die ich als Freund bezeichnen konnte und selbst er wurde in den letzten Jahren immer mehr zum guten Bekannten, sodass der Kontakt zu ihm anstrengend wurde und sich sinnlos anfühlte, weil wir uns auseinander lebten und es nicht mehr passte. Als er sich am Ende des letzten Treffens, Anfang dieses Jahres, mir gegenüber respektlos verhielt und mit einer anderen Person über mich lachte, habe ich den Kontakt abgebrochen und ihm dann, als er auf eine Antwort drängte, per Nachricht mitgeteilt wie ich empfand. Aufgrund der am Ende schlechten Beziehung bedauere ich die Entscheidung nicht, jedoch bin ich jetzt wieder ganz allein, nur hin und wieder telefoniere ich mit meiner Mutter und besuche sie etwa alle vier, fünf Wochen, da ich per Zug etwa dreieinhalb Stunden bis zu ihr brauche, weil in einer recht weit entfernten Stadt studiere.
Obwohl ich Misanthrop bin sehne ich mich nach wenigstens einer Person, mit der ich meine Zeit verbringen kann und wenn nicht wegen des sozialen Aspekts, dann wenigstens wegen des Bedürfnisses nach körperlicher Zuwendung. Ich hätte also gern in meiner Stadt jemanden, mit dem ich mich gut verstehe und mit dem ich Zeit verbingen kann und wie gesagt, eine romantische Beziehung fände ich auch gut, jedoch bräuchte ich auch viel Zeit, wobei mir Kuscheln und auch Küssen wohl gut gefallen würden.
Allerdings würden nur den wenigsten zu mir passen, da ich einen aus heutiger Sicht ungewöhnlichen Lebensstil habe, weil ich Veganer bin und ausschließlich Bio-Lebensmittel esse, ich könnte also in keinem mir bekannten Restaurant, etc. essen. Die andere Person müsste eben auch so eingestellt sein, da Gegensätze in diesem fundamentalen Aspekt wenigstens langfristig zu Problemen führen werden, die entweder weitere Annäherung durch Annahme dieses Standpunkts oder aber Entfernung durch Ablehnung bedeuten würden. Zudem habe ich hohe Ansprüche an die intellektuelle Befähigung der Personen, da es zum einen keinen Sinn hat über Bedeutungsloses wie "Klatsch" und co. zu reden und ich zum anderen auch tatsächlich durch diese Sinnlosigkeit leide und es nicht ertragen kann. Meine Interessen beschränken sich überwiegend auf Biologie, Chemie, Film, Lyrik, Mathematik, Musik, Philosophie, Physik, Politik und Psychologie. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich jemand passenden finde, ist somit sehr gering, vorrausgesetzt ich finde jemals jemanden, zu dem ich einen Kontakt aufbauen kann.
Vielleicht kann mir jemand Tipps und Ratschläge geben, was ich am besten machen kann, um erstens überhaupt Kontakt zu anderen aufzubauen und zweitens wie ich jemanden finden kann, der auch tatsächlich zu mir passt. Des Weiteren wären eure Gedanken zu dem Thema interessant, dennoch bitte ich euch, nur zu antworten, wenn ihr euch mit Autismus gut auskennt beziehungsweise auch schon verwertbare Erfahrungen damit gesammelt habt. Ich kann sehr gut auf die Meinungen der Leute verzichten, die die ersten Sätze des nächstbesten Autismusartikels gelesen haben und das ganze dann eben nicht verstehen können. Auch geht es mir hier weniger um das Jammern über eine ausbleibende romantische Beziehung, ich hätte kein Problem damit, wenn bei meiner ersten Partnerschaft bereits vierzig Jahre alt bin oder gar nie eine habe, es geht mir vielmehr um eine Bindung zu jemanden, der einen auch wirklich mag, insofern also einen guten Freund.