ariana_12361020Liebe Julia,
und ich bange doch in erster Linie um dich! Du bist erschöpft vom vielen Sprechen und Denken, und dein Kopf ist immer noch eine so große Baustelle. Aber die Entscheidung hast du tief im Innersten gefällt, heute dann endgültig – und du schaust, wie sie sich nun verwirklichen lässt.
Es hat sich emotional bei dir nichts geändert, sagst du. Und nur deine Emotionen sind es, die gegen das Kind sprechen – nicht äußere Umstände (was für manche Familien ja wirklich große Probleme sind).
Du sagst, du kannst dem Kind nicht die Liebe geben, die du geben möchtest.
Darf ich fragen: Wer oder was hindert dich daran?
Liebe sind nicht Emotionen. Vielmehr sind negative Emotionen oftmals im Namen der Liebe zu überwinden. Liebe ist doch die eigene Entscheidung, dem anderen Gutes zu tun und nicht aufzugeben. Das trifft doch auch auf eure Ehe zu. Ein Satz, der mich in letzter Zeit bewegt: Liebe heißt, aus sich herauszutreten.
Was ist für dich Liebe?
Vielleicht gerade das Heraustreten aus dem Kreisen um die eigenen Gefühle!? Es macht dich ja selbst fertig.
Liebe Julia, ich glaube dir gern, dass es dir schlecht geht, wenn du an die Veränderungen in deinem Leben denkst, die mit dem dritten Kind auf dich zukommen würden.
Aber du weißt und rechnest damit, dass auch im Fall einer Abtreibung eine Baustelle bleiben oder kommen wird, dass es dir auch damit schlecht gehen wird. Die Psychologin meinte, dass du „sicher dein Glück im Leben wieder finden könntest“ – wie sprechend: Du musst es auch dann erst wieder suchen. Und deine Familie muss dir helfen und dir Rückhalt geben. Aus Liebe zu dir! Und da werden viele Gedanken zu steuern sein, auch wenn sie erstmal kommen, wie sie wollen.
Darf ich dich noch etwas fragen: Woher weißt du, dass du auch nach der Geburt nicht mit dem Herzen dabei sein wirst? – Für mich klingt genau das nach Steuerung, nach einem Entschluss. Und das ist ja das, was ein Mensch kann: sich steuern.
Du musst auch steuern, wenn du nach der Abtreibung denkst, wie das zu fünft wäre ....
Also – du kannst natürlich die Abtreibung machen. Du hast bis hierhin gesteuert. Jetzt gälte es, den Schritt zu tun. Das ist alles deine Selbststeuerung. Du kannst den Schritt gehen oder zurücktreten.
Mich bewegt, was mit dir „eigentlich“ los ist, dass dein drittes Kind dir dein Leben so vermiesen könnte. Warum du meinst, dass du gar nicht mehr glücklich werden könntest oder jedenfalls schwerer als nach einer Abtreibung?
Du kannst natürlich alles mit deinem Kind machen, du kannst es abtreiben lassen, aber willst DU das wirklich!? Du hast dich doch, als der Mensch, der du bist, für Familie und für einen fürsorgenden Beruf entschieden. Und dich stört doch auch da, wenn du siehst, was manche Mütter mit ihren Kindern machen. Möchtest du die Macht über dein Kind so gebrauchen? Bist du darin ganz DU selbst?
Dieses jetzt so kleine Leben würde – und das wünschen sich Eltern in der Regel – über dein Leben hinausreichen. Und was in diesem Leben geschieht und was durch diesen Menschen, so klein er jetzt ist, bewirkt werden kann, ist unabsehbar. Möchtest du das Leben deines Kindes also in der Weise „in die Hand nehmen“ oder nicht lieber sagen: Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen. Würde dir das nicht mehr entsprechen? Auch wenn es mit einigen Mühen, Schmerzen und Einschränkungen verbunden ist?
Wie also möchtest DU weiterleben? Was für ein Mensch möchtest du sein?
Das sind meine Fragen an dich für den heutigen Tag der finalen Entscheidung.
Liebe Grüße von Catie